NRW-Kita-Rettungsgesetz

09.10.2017

AWO fordert grundlegende Reform

"Rettung für unsere Kitas! Jetzt!" Diese Forderungen der AWO NRW haben bei einer Unterschriftenaktion im Juni innerhalb von nur zehn Tagen mehr als 33.000 Menschen unterzeichnet. Mit dieser Aktion wollte die AWO Druck auf die neue Landesregierung ausüben und der Dringlichkeit einer Problemlösung Nachdruck verleihen. Jetzt nahm Familienminister Dr. Joachim Stamp in der Bonner AWO-Kita Villa W.I.E die Unterschriftenlisten entgegen.

"Die AWO NRW begrüßt die schnelle Reaktion der Landesregierung und das Bekenntnis zur Trägervielfalt bei den Kindertageseinrichtungen! Das bereits beschlossene Kita-Rettungspaket für die kommenden beiden Jahre reicht aber nicht, um diese Vielfalt – und damit auch die derzeitig landesweit mehr als 700 AWO-Kindertagesstätten dauerhaft zu erhalten!", betonte die AWO-Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp bei der Übergabe der Unterschriftenlisten.

Für Klaus Dannhaus, Vorsitzender der Kita-Strategiekommission der AWO NRW, ist das 'Gesetz zur Rettung der Trägervielfalt von Kitas in NRW' nur ein erster wichtiger Schritt, um die akute Finanznot der Kindertageseinrichtungen zu verbessern. "Für eine nachhaltige Sicherung der Kitas in NRW ist eine grundlegende Reform notwendig", versicherte der AWO-Kita-Experte.

Aus Sicht der AWO NRW müssen zukünftig vor allem alle für eine zukunftssichere frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung erforderlichen Leistungen kostendeckend finanziert werden. "Dazu zählen auch Aufwendungen für Administration, Fachberatung und Fortbildung, ohne die die gebotene und vom Gesetzgeber geforderte Qualität der Angebote nicht sichergestellt werden kann", sagt Jürgen Otto. Der Geschäftsführer der AWO NRW sieht darüber hinaus dringenden Handlungsbedarf bei der Personalausstattung: "Sie muss quantitativ und qualitativ an die stetig steigenden Erwartungen an die Einrichtungen angepasst werden."

So wurden die Betreuungszeiten immer länger, die Kinder in den Kitas immer jünger und die ethnische Vielfalt immer bunter. Die Nachfrage nach Plätzen ist gestiegen und das Recht auf einen Kitaplatz wurde in Kraft gesetzt. Ein gesetzlich verankerter Bildungsauftrag und die Forderung nach Inklusion verlangten nach neuen pädagogischen Konzepten. Auch mit dem Einführen der Familienzentren war eine erhebliche Erweiterung des Leistungsspektrums vonnöten. Und nicht zuletzt müssen die Kitas auf die stetig steigende Erwartungshaltung der Eltern reagieren.

Deshalb fordert die AWO NRW auch eine Anpassung der Personalschlüssel. "Die Kindertagesstätten brauchen ausreichend viele Beschäftigte, um die steigenden Anforderungen mit der notwendigen Sorgfalt und Qualität bewältigen zu können", sagt die AWO NRW-Vorsitzende Britta Altenkamp und bezieht sich dabei auf die wissenschaftliche Studie der Hochschule Niederrhein mit dem Titel ZUKUNFT.KITA@NRW, die nachweist, dass das derzeitige Kinderbildungsgesetz NRW - gemessen an den geforderten Leistungen - viel zu wenige Beschäftigte pro Kita-Gruppe vorsieht. Vor allem aber müssten zukünftig auch Ausfallzeiten wie Krankheit oder Urlaub bei den Personalschlüsseln mit berücksichtigt werden.

Und auch eine weitere Ursache für die chronische Unterfinanzierung der Kitas, sieht die AWO in der Finanzierungsystematik des NRW-Kinderbildungsgesetzes verankert: die sogenannten  'Kindpauschalen'. Fixkosten der Einrichtungen wie beispielsweise Heizung, Strom, Versicherungen und Instandhaltung müssen von den Kitas mit der pauschalen Förderung pro Kind abgedeckt werden. Sinkt aber die Belegungszahl der Einrichtung, sinkt auch der Gesamtförderbetrag, während die Fixkosten unverändert hoch bleiben. "Dieses Problem muss dringend durch das Einführen eines Sockelbetrages für die belegungsunabhängigen Kosten gelöst werden", fordert Klaus Dannhaus. Und für ebenso dringlich hält er eine zeitnahe Refinanzierung von tariflichen Personalkostensteigerungen und die Förderung der Aufwendungen für Ausbildung von Nachwuchskräften. Hier müsse ebenfalls kurzfristig Abhilfe geschaffen werden, da offene Stellen in den Kindertageseinrichtungen schon heute immer schwerer besetzt werden können.

Angesichts dringend notwendiger Mehrausgaben für die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung erinnert AWO-Landesvorsitzende Britta Altenkamp an die enorme gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieses Aufgabenfeldes: "Keine Lebensphase prägt den Menschen mehr als seine früheste Kindheit. Der Aufwand, um Kindern in diesen Jahren bestmögliche Bildungs- und  Entwicklungschancen zu bieten, ist um ein Vielfaches geringer als das, was die Gemeinschaft nach dem Versagen in der Schule für Sozialleistungen und den Reparaturbetrieb - um Schulabschlüsse nachzuholen oder für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren - aufwenden muss. Wenn wir  gesellschaftliche Herausforderungen wie Armut von Kindern und Jugendlichen, Fachkräftemangel, Folgen der Digitalisierung und den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit unseres Landes meistern wollen, bleibt kein anderer Weg, als massiv in die frühkindliche Bildung zu investieren! Wie Kinderarmut zu Bildungsarmut führt, belegt eine Studie für das Ruhrgebiet, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde: Fast 88 Prozent der Kinder aus dem Stadtteil Bredeney im Süden von Essen wechseln auf das Gymnasium. Weniger als 19 Prozent im Stadtteil Bergeborbeck im Essener Norden tun das. Die Kinder dort sind nicht dümmer, als die im Süden!"

Weitere Informationen:
Jürgen Otto, Telefon: 0201 3105-232, juergen.otto@awo-niederrhein.de

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