Rikscha und Kicker statt Podium - Freie Wohlfahrtspflege NRW bringt Landtagskandidat*innen und Jugendliche kreativ miteinander ins Gespräch

03.05.2022

Anja Butschkau (SPD) fuhr mit Alex (17) in der Rikscha, Jens Kamieth (CDU) und Volkan Baran (SPD) traten am Kicker gegeneinander an. Wobei die Konzentration der beiden Landtagskandidaten ein bisschen unter den Gesprächen mit ihren jugendlichen Mitspielern litt. Kreative Wege ging die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW vor der Wahl, um im Bernhard-März-Haus der Caritas Dortmund Politiker*innen und junge Erwachsene zum Thema „Jugend braucht Chancen“ miteinander ins Gespräch zu bringen. Ein gelungenes Experiment im Vergleich zu den üblichen Podiumsveranstaltungen, so fasste es Ulrich Reuter (FDP) für alle teilnehmenden Kandidaten zusammen: „Zehn Minuten Gespräch hier waren viel gewinnbringender, hier sind wir nah an den Menschen.“

Insgesamt ging es um die Frage „welche Perspektiven braucht die Jugend und welche Politik ermöglicht Chancen“, wie es Josef Lüttig, Vorsitzender des Ausschusses Arbeit/Arbeitslosigkeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW zu Beginn sagte. In einer Reihe von Veranstaltungen zur Landtagswahl der Freien Wohlfahrtspflege NRW hatte die Caritas das Thema Jugend übernommen. Die hier wichtigen Aspekte sprach Lüttig gleich an mit digitaler Teilhabe und dem Übergang von der Schule in den Beruf.
Dazu waren die Folgen der Corona-Pandemie immer wieder Thema. Wolfgang Jörg (SPD), der das Format „cool“ fand, benannte die Corona-Folgen als „größte Baustelle“ der Politik. Jugendliche müssten wieder normal leben und Spaß haben können, um aus „guter Laune heraus motiviert zu sein, sich einen Beruf zu suchen.“

Alle Landtagskandidat*innen waren sich einig, dass sie dazu die Chance bekommen müssen. Im Wie und ob es sie tatsächlich für alle gibt, zeigten sich die politischen Differenzen. Während Nils Mehrer (FDP) die derzeitige Landesregierung mit 60 Talentschulen auf gutem Wege sieht und als Ziel für mehr Chancengerechtigkeit tausend Talentschulen ankündigte, hält Petra Backhoff (Bündnis90/Die Grünen) „Schule für den Ort der Bildungsungerechtigkeit schlechthin“. Viel zu früh werde hier ausgesiebt. Im Grunde beginne die Ungerechtigkeit schon mit dem Tag der Geburt.

Volkan Baran (SPD) unterstützte die Kritik: „Jede Schule muss Talentschule sein“, Er forderte eine Begleitung der Ausbildung für alle Jugendlichen, noch besser wären Bildungslotsen schon ab der Kita. Auch Schulleitungen in Talentschulen klagten über Probleme, erklärte Gönül Eglence (Bündnis 90/Die Grünen). Letztlich brauche es mehr Pädagog*innen. Notwendig ist dazu nach Auffassung von Katrin Lögering (Bündnis 90/Die Grünen) nicht zuletzt eine gleiche Bezahlung der Lehrkräfte in Grund- und weiterführenden Schulen und die Öffnung für Quereinsteiger.

Wie Anja Butschkau (SPD) forderten mehrere Kandidat*innen, dass jeder Jugendliche, auch wenn er keinen Schulabschluss habe, eine Chance auf eine Ausbildung oder zumindest Beschäftigung bekommen muss. Josef Lüttig, der Paderborner Diözesan-Caritasdirektor ist, hatte einleitend schon darauf hingewiesen, dass es dafür gute Projekte gebe. „Die dürfen nicht enden mit einer neuen Landesregierung“, mahnte er.
Dass es diese Fragen sind, die die jungen Erwachsenen umtreiben, erlebten die Landtagskandidaten hautnah. Jens Kamieth (CDU) fand es wichtig und gewinnbringend, „dass man mal eine andere Rolle annehmen muss.“ Vielfalt und Zusammenhalt seien wichtig in der Gesellschaft. Das Stichwort konnte Moderatorin Giulia Maira, Koordinatorin des Arbeitsausschusses Arbeit/Arbeitslosigkeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW, direkt aufgreifen, um die Landtagskandidat*innen mit „Vielfalt-Socken“ und die Jugendlichen mit Kinogutscheinen zu verabschieden.

Zehn Jugendliche aus Einrichtungen der dobeq des AWO Unterbezirk Dortmund brachten sich mit in die Gespräche ein. „Für die Jugendlichen war das eine wirklich tolle Erfahrung,“ so Muna Hischma, Abteilungsleiterin Soziales des AWO Bezirksverbands Westliches Westfalen. „Sie hatten Fragen vorbereitet, die sie den Landtagsabgeordneten stellten und sie brachten sich mutig mit ihren Wünschen ein, das war großartig. Die jungen Menschen trugen maßgeblich zu dieser gelungenen Veranstaltung ein, dafür danken wir ihnen,“ betonte Hischma.

Forderungspapier der LAG FW „Jugend braucht Chancen“ als PDF

Video der LAG-Veranstaltung:

Hintergrund:
Die Pandemie hat viele bereits zuvor bestehende Probleme für Jugendliche im Bereich Übergang Schule-Beruf verschärft. Dazu reicht ein Blick auf die Zahlen am Ausbildungsmarkt oder auf die Prognose der Jugendämter in Deutschland, die eine Verdopplung der Schulabbrecher*innen auf 210.000 voraussagen.
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW hatte deswegen im Vorfeld der Landtagswahl Politiker*innen eingeladen, mit jungen Menschen aus Einrichtungen der beruflichen Eingliederung ins Gespräch zu kommen.  Neben dem direkten Austausch zwischen Jugendlichen und Politiker*innen beteiligten sich Sozialarbeiter*innen, Fachanleiter*innen sowie Vertreter*innen der Spitzenverbände daran, um über neue Anregungen für einen gelungenen Übergang von der Schule in den Beruf zu diskutieren, der den jungen Erwachsenen Teilhabe und einen nachhaltigen Einstieg in die berufliche Erstausbildung sichert.

Weitere Nachrichten

Meldung vom 20.11.2023
NRW hat es sich zur Aufgabe gemacht, gegen Kinderarmut und ihre Folgen vorzugehen. Doch bestehende Förderprogramme und -strukturen scheinen nicht genug zu greifen. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) NRW fordert einen wirkungsvolleren Einsatz finanzieller Ressourcen. weiterlesen
Meldung vom 14.11.2023
Mit der Reform des SGB VIII im Jahr 2021 rücken Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendhilfe verstärkt in den Fokus. Am 1. Mai 2022 trat das Landeskinderschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen in Kraft. weiterlesen
Meldung vom 13.11.2023
Die Schulsozialarbeit hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Schulwesens entwickelt. Um die engere Vernetzung und inhaltliche Profilierung der AWO Schulsozialarbeit in NRW zu intensivieren, kamen 105 Teilnehmende bei dem AWO NRW Fachtag "Schule im Aufbruch - neue Chancen und Herausforderungen der Schulsozialarbeit" am 07.11.2023 in Düsseldorf zusammen.weiterlesen
Meldung vom 08.11.2023
Mehr als 22.000 Menschen haben vor dem Landtag ein lautes Zeichen für eine auskömmliche Finanzierung der sozialen Arbeit in NRW gesetzt. Die Plenardebatte am 26.10.2023 hat allerdings deutlich gemacht, dass die Mitglieder der regierungstragenden Fraktionen die Zeichen einer der größten Demonstrationen in der Geschichte des Landes nicht hören wollen und ebenso verkennen, dass die Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen bei gemeinnützigen Trägern bereits heute Realität ist.weiterlesen
Meldung vom 30.10.2023
Wir stehen an der Seite der jüdischen Gemeinschaft!Gegen Antisemitismus: Solidaritätserklärung der Freien Wohlfahrtspflege NRW  Wir als Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen stehen Seite an Seite mit den jüdischen Gemeinden und beziehen unmissverständlich Stellung gegen jede Form von Antisemitismus. Wir sind in tiefer Trauer über die schrecklichen Ereignisse in Israel und es ist uns ein Anliegen, unser Mitgefühl für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland und NRW auszudrücken.  weiterlesen
Meldung vom 05.10.2023
NRW bleib sozial! Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen: Die soziale Infrastruktur in NRW steht an einem Kipppunkt. Mit der Kampagne „NRW bleib sozial!“ fordert die Freie Wohlfahrtspflege NRW die Politik auf, sich für eine umfassende Verbesserung der Situation der sozialen Träger einzusetzen. Den Auftakt macht eine Kundgebung am 19. Oktober 2023 vor dem Landtag in Düsseldorf. Die AWO in NRW will an diesem Tag ein starkes Zeichen setzen.weiterlesen
Meldung vom 07.09.2023
Die Arbeiterwohlfahrt in NRW appelliert an die Bundestagsabgeordneten, den Entwurf der Regierung umfassend zu verändern, da sonst Angebote geschlossen oder eingeschränkt werden müssen – zulasten von Familien und Bedürftigen.weiterlesen
Meldung vom 26.08.2023
AWO-Inszenierung auf dem Landesparteitag der SPD erregte große Aufmerksamkeit. weiterlesen
Meldung vom 09.08.2023
AWO für mehr Betreuungssicherheit und bessere Arbeitsbedingungen in Kitas. Mit frischen Ideen und Mut zur Innovation präsentiert die Arbeiterwohlfahrt (AWO) NRW in ihrem Konzeptpapier mögliche Lösungen zur wachsenden Herausforderung des Fachkräftemangels in Kindertageseinrichtungen. Wichtig ist der AWO dabei, die Qualität der frühkindlichen Bildung nachhaltig zu sichern.weiterlesen
Meldung vom 19.07.2023
„Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) ist ein wesentlicher Baustein im Integrationsangebot des Bundes“, schreibt das Bundesministerium des Innern und für Heimat auf seiner Internetseite. Trotzdem droht der vorgelegte Bundeshaushalt für 2024 den Trägern, die diese Dienste anbieten, mit Kürzungen in Höhe von etwa 30%. Paradoxerweise trifft diese Kürzung mit der höchsten Zahl von Neuzugewanderten nach Deutschland seit der großen Fluchtbewegung nach dem II. Weltkrieg zusammen, darunter 1,2 Mio. Geflüchtete allein aus der Ukraine.weiterlesen