Besser in Arbeitsmöglichkeiten investieren statt in Arbeitslosigkeit

21.04.2021

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG FW) fordert einen dauerhaft gesicherten sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose. „Mit Sorge blicken wir auf die in der Pandemie stark steigenden Zahlen der Langzeitarbeitslosen“, sagt der LAG-Vorsitzende Dr. Frank Johannes Hensel. Deswegen müsse das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ jetzt entfristet werden. Der Zwischenbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestätige den Erfolg des Teilhabechancengesetzes.

„Es gilt der Langzeitarbeitslosigkeit und der damit verbundenen Isolation von gesellschaftlicher Teilhabe anhaltend zu begegnen“, sagt der LAG-Vorsitzende Hensel. Die 2019 mit dem sogenannten Teilhabechancengesetz eingeführten Reformen in der Arbeitsmarkpolitik für Langzeitarbeitslose zeigten gute Erfolge. Das ganzheitlich angelegte Konzept mit öffentlich geförderter Beschäftigung, sozialarbeiterischer Begleitung („Coaching“) und beruflicher Qualifizierung bewähre sich in der Praxis. Das bestätige auch die erste Zwischenevaluation durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), sagt Hensel.

Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW habe viel zur erfolgreichen Umsetzung der Reformen des Teilhabechancengesetzes beigetragen, sowohl durch die Trägerschaft von Qualifizierungs- und Beschäftigungsbetrieben als auch durch bereitgestellte Arbeitsplätze in Pflege, Erziehung und Hauswirtschaft.
Sie sieht daher auch, wo es in der konkreten Umsetzung noch Verbesserungsbedarfe gibt und hat „Eckpunkte zur Zwischenbewertung und Weiterentwicklung des Teilhabechancengesetzes“ veröffentlicht.

Optimierungspotentiale sehen die Wohlfahrtsverbände vor allem beim Coaching. „Wir fordern ein Coaching, das die Entscheidungen der geförderten Personen stärkt“, sagt Hensel. Das fange bei der Selbstauswahl der Coaches an. Es dürfe nicht länger ausgeschlossen werden, dass Geförderte sich für einen beim Beschäftigungsträger angestellten Coach entscheiden. Denn häufig kennen die Beschäftigungsträger die geförderte Person bereits aus einer vorgeschalteten Maßnahme oder einem Praktikum. So wurde oft schon ein Vertrauensverhältnis zueinander aufgebaut.

Wohlfahrtsverbände fordern Entfristung wichtiger Reformen

„Es ist besser, in Arbeitsmöglichkeiten zu investieren statt in Arbeitslosigkeit“, sagt Hensel. Zudem rentiere es sich auch für die Gesellschaft, wenn Teilhabechancen von Benachteiligten gefördert würden. „Langzeitarbeitslose zu integrieren, braucht einen langen Atem und gute Förderinstrumente – genau die haben wir jetzt, weil das Teilhabechancengesetz eine arbeitsmarktpolitische Lücke geschlossen hat“, sagt Hensel. Die Wohlfahrtsverbände fordern deshalb nach den positiven Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis, die gesetzliche Befristung des arbeitsmarktpolitischen Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i im zweiten Sozialgesetzbuch – SGB II) aufzuheben.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in der Corona-Pandemie stark angestiegen, innerhalb eines Jahres um 36,3 Prozent (März 2020 bis März 2021). „Es ist daher jetzt wichtig, dass Langzeitarbeitslose eine stabile Chance haben, mit langfristiger Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, sagt Hensel.

Hintergrund: Das 2019 beschlossene Teilhabechancengesetz hat einen arbeitsmarktpolitischen Paradigmenwechsel weg vom Vorrang kurzer Qualifizierung, schneller Vermittlung und hohem Sanktionsdruck hin zur „Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt“ vollzogen. Dabei erhalten Arbeitgeber für bis zu fünf Jahre Lohnkostenzuschüsse zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen, die vorher mindestens sechs von sieben Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Finanziert wird dies u. a. durch Mittel, die ansonsten für den Leistungsbezug aufgewendet würden.

Eckpunktepapier zur Zwischenbewertung und Weiterentwicklung des Teilhabechancengesetzes als PDF