AWO fordert zum Weltfrauentag: 150 Jahre §218/219 sind genug!

05.03.2021

Anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März 2021 fordert die AWO NRW die Streichung des §218/219 aus dem Strafgesetzbuch, der einen Schwangerschaftsabbruch und die Information über solche kriminalisiert. Der Paragraf wird dieses Jahr 150 Jahre alt – und genauso lang ist der Kampf für seine Abschaffung.

Jährlich nehmen rd. 14.000 Menschen bei den landesweit 23 AWO-Beratungsstellen Unterstützung in allen Fragen rund um Sexualität in Anspruch. Jährlich sind es rd. 4.500 Frauen, die sich dort bei der Entscheidungsfindung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch beraten lassen.

Das Recht, selber darüber zu entscheiden, ob und wie viele Kinder ein Mensch im Laufe des Lebens bekommen möchte, gehörte schon zu Gründungszeiten der Arbeiterwohlfahrt vor fast 100 Jahren zu den zentralen frauenpolitischen Forderungen des Verbandes. So beschäftigte sich Gründerin Marie Juchacz in ihrem 1929 erschienenen Artikel „Geburtenfrage – Sexualberatung eine Aufgabe der Arbeiterwohlfahrt“ mit den enorm hohen Abbruchszahlen der damaligen Zeit und zog daraus den Schluss, dass die Arbeiterwohlfahrt präventiv tätig werden und Information und Aufklärung zum Thema Verhütungsmittel anbieten müsse. Neben dem politischen Einsatz für die Streichung des §218/219 StGB galt ihr besonderes Augenmerk der direkten Unterstützung und Beratung von Frauen und Paaren.

Ein Jahrhundert später gibt es zwar die Beratungsregelung und der Schwangerschaftsabbruch bleibt straffrei, wenn eine Beratungsbescheinigung durch eine anerkannte Beratungsstelle vorgelegt wird. Aber die Streichung aus dem Strafgesetzbuch und die Enttabuisierung des Themas wurden nicht erreicht. Noch heute werden Frauen stigmatisiert und kriminalisiert, wenn diese sich für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden wollen.

„Neben dem gesellschaftlichen Klima des Schweigens, das dazu führt, dass Frauen aus Angst vor Stigmatisierung selten über ihre Abbrüche sprechen, gibt es in Deutschland inzwischen ein reales Versorgungsproblem“, berichtet eine Fachfrau des AWO Bezirksverbands Westliches Westfalen. Immer weniger Ärztinnen und Ärzte bieten Schwangerschaftsabbrüche an. Zum einen gehen viele frauenpolitisch bewegte Medizinerinnen und Mediziner ohne Nachfolge in den Ruhestand. Zum anderen werden diejenigen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, immer vehementer verfolgt. Denn der § 219a StGB sieht vor, dass Ärztinnen und Ärzte nicht öffentlich über die eingesetzten Methoden bei einem Abbruch informieren können. „In der Folge gibt es immer weniger Medizinerinnen und Mediziner, die aus Sorge vor strafrechtlicher Verfolgung bereit sind, ungewollte Schwangerschaften abzubrechen,“ berichtet die Leiterin einer großen AWO-Beratungsstelle in NRW.

Die AWO fordert seit ihrer Gründung die Streichung des §218/219a und setzt sich dafür in NRW und bundesweit kontinuierlich ein. Neben dem Recht auf Abtreibung muss auch ebenso die Kostenübernahme des Abbruchs für einkommensschwache Frauen ermöglich werden.
Gleichzeitig setzt der Verband ein flächendeckendes Angebot an qualifizierter, psychosozialer Beratung im Bereich Sexualität, Familienplanung und Schwangerschaft ein – aber nicht im Rahmen einer Pflichtberatung, sondern freiwillig.

Voraussetzung für eine selbstbestimmte Familienplanung ist nicht zuletzt eine bundesgesetzliche Regelung zur Kostenübernahme für Verhütungsmittel für einkommensarme Menschen. Verhütung darf nicht eine Frage des Geldbeutels sein.

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